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Windumrechnung im Wetterechner

Verfasst: 16 Jan 2007 21:57
von FokkerPlanck
Hallo,

im "Wetterrechner" vom WsWin sind Umrechnungsfaktoren zur "Umrechnung" der Windgeschwindigkeiten von einer Höhe in eine andere angegeben. Wenn ich z.B. in 5 m Höhe 10m/s messe, dann wäre dann die Windgeschwindigkeit in 10m laut "Wetterrechner" 11.89 m/s etc.

Zugrunde liegt hier natürlich ein Modell. In diesem Fall des "WsWin/Wetterrechners" wird angenommen, dass das vertikale Windprofil einem Potenzgesetz der Form v = v0 * (z/z0)^(1/4) folgt.

Dabei ist v0 die Windgeschwindigkeit in der Höhe z0. Mit Hilfe der Formel
kann man dann die angenommene Windgeschwidigkeit v in einer ("beliebigen") Höhe z berechnen.

Die Änderung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe ist in der bodennahen Schicht (= Prandtlschicht) aber stark von der Schichtstabiliät abhängig und keinesfalls immer in Form dieses Gesetzes ausdrückbar!

Bei labiler Wetterlage findet starker sog. vertikaler Impulsaustausch statt, Turbulenzballen werden in von oben Richtung Boden transportiert und nehmen dabei die obere Windgeschwindigkeit sozusagen mit. D.h. bei diesen Wetterlagen nimmt die Windgeschwindigkeit wesentlich geringer mit
der Höhe zu. Umgekehrt sind die Verhältnisse bei stabilen Wetterlagen.

Ein einfaches theoretisches Modell liefert die indifferente Wetterlage, der der die Temperatur adiabatisch mit der Höhe abnimmt (0.98K/100m), dann folgt das vertikale Windprofil einem logarithmischen Gesetz.

v = v0 * ln (z/z0).

Allgemein formuliert man aber linear-logarithmisch gemischte Profile (z.B. Ansatz von Monin-Obuchow)

v = v0 * ln (z/z0) + b*z/z0.

siehe auch z.B.
http://de.wikipedia.org/wiki/Logarithmisches_Windprofil

Abweichend von der Theorie verwendet WsWin den weitverbreiteten Ansatz in Form eines Potenzgesetzes:
v = v0 * (z/z0)^(1/4) (WsWin-Formel)

Hier ein Vergleich, wobei bei den Profilen indifferente Schichtung und
unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten angesetzt wurden.
Man erkennt, daß im Bereich 1-10m der übliche Ansatz über das 4.-Wurzelgesetz wie a la WsWin zu passablen Werten führt (natürlich nur für indifferent Wetterlagen). Bei großen bzw. kleinen Höhen nehmen die Abweichungen zu, was aber praktisch nicht von Belang ist.

Insgesamt muß einem natürlich immer bewußt sein, daß eine exakte Umrechnung von einer Höhe in eine andere NICHT möglich ist.

[list]
z WsWin Wiese Ortschaft
Meter
0.2 2.6591 2.3059 6.6439
0.5 2.1147 1.7658 2.8614
1 1.7783 1.5000 2.0000
2 1.4953 1.3038 1.5372
3 1.3512 1.2111 1.3540
4 1.2574 1.1529 1.2484
5 1.1892 1.1115 1.1772
6 1.1362 1.0799 1.1248
7 1.0933 1.0544 1.0840
8 1.0574 1.0334 1.0509
9 1.0267 1.0155 1.0234
10 1.0000 1.0000 1.0000
20 0.8409 0.9088 0.8692
50 0.6687 0.8110 0.7410
200 0.4729 0.6975 0.6059
[/list]

Verfasst: 16 Jan 2007 22:10
von hneu
Fokker, egal wie auch immer.

Du bist super schlau! Das hast Du uns in Deinen vorzüglichen und vollendeten Beiträgen unter Beweis gestellt. Ich denke bei den nächsten Programmversionen wird Werner K. gern auf Dein der Wettergemeinde mitgeteiltes Wissen zurückgreifen. Sollte Werner N. irgendwann mal seine Hilfeseiten überarbeiten, auch er wird sich Deines umfangreichen Wissens sicher gern bedienen.

Aber Fokker, tu uns jetzt doch auch einen Gefallen und bleibe bitte ein paar Tage stumm. Wir die Unwissenden müssen die geballte Ladung der letzten Tage ersteinmal verdauen und verarbeiten.

Du nervst, zumindestens mich und ich weiß nicht, vielleicht auch noch einige andere.

freundlichst
hneu

Verfasst: 16 Jan 2007 22:36
von chris
Hallo hneu,

dagegen gibts ein einfaches Mittel: seine Beiträge einfach nicht lesen :wink:

wird ja niemand dazu gezwungen....


Mich jedenfalls interessieren auch theoretische Hintergründe.

Grüße
Christian

Verfasst: 16 Jan 2007 22:47
von rolsch
Hm,
sind doch interessante Informationen...

Immerhin sieht man doch,
warum unsere Wetterstationen und die eingesetzte Software den Bereich 150 - bis ca. 2000 Euro abdeckt und
eine WMO-Zertifizierte Station erst bei ca. 9000 Euro Investition beginnt :wink:

Wenn man nun aber unsere Messdatenerhebungen aus physikalischer Sicht betrachtet,
können wir unsere Daten eh in den Mülleimer werfen.

Hierzu gibt's ja den schönen Spruch: Wer misst misst Mist

Beispiel
Ich selbst messe die Sonnenstunden per modifiziertem Temp-Sensor.
Ergibt nun die Tagessumme z.B. 8 Stunden,
so sind dies halt nun 8 Stunden,
auch wenn es nur 7 oder 9 Stunden wären.
Betrachtet man diese Messwerte nun aber über einen längeren Zeitraum
(incl. der 'Feinkalibierung' durch die Sonnenstandskorrektur und meinem Bauchgefühl...),
so kann man hier dennoch Vergleiche zu bestimmten Zeiträumen erheben.
Natürlich darf man diese Messwerte nicht mit WMO-Stationen vergleichen,
denn hier werden die Messwerte ebenso wie die Wolkenbedeckung komplett anders gemessen :-)

@FokkerPlanck
- lösche mal die beiden anderen Post'ings mit dem gleichen Betreff...

Verfasst: 16 Jan 2007 23:27
von weneu
Hallo,
lösche mal die beiden anderen Post'ings mit dem gleichen Betreff
schon geschehen.

Verfasst: 17 Jan 2007 17:15
von hneu
Hallo Christian
Mich jedenfalls interessieren auch theoretische Hintergründe.
Ohne Frage interessieren Hintergründe!
Aber muß ich deshalb alles in Frage stellen und OBERLEHRERHAFT dann selbst erläutern?

freundlichst
hneu

Naja, so schlimm ist es nicht

Verfasst: 17 Jan 2007 19:52
von FokkerPlanck
Hallo Rolsch,

[quote="rolsch"]Hm,
sind doch interessante Informationen...

Immerhin sieht man doch,
warum unsere Wetterstationen und die eingesetzte Software den Bereich 150 - bis ca. 2000 Euro abdeckt und
eine WMO-Zertifizierte Station erst bei ca. 9000 Euro Investition beginnt :wink:

Wenn man nun aber unsere Messdatenerhebungen aus physikalischer Sicht betrachtet,
können wir unsere Daten eh in den Mülleimer werfen.
[/quote]

So schlimm ist das mit den Daten einer Wetterstation < 2000EUR nun auch nicht. Fatal finde ich es eher, wenn man gute Rohdaten durch "blindwütiges postprocessing" verschlechtert.
Um beim Wind zu bleiben, es wäre "reiner Wahnsinn", gemessene Winddaten aus z.B. 3m Höhe per "Wetterechner" auf 10m umzurechnen und nur diese Daten zu veröffentlichen, nur weil man "normgerechte" Daten zeigen möchte. Die Daten eines kalibrierten Windmessers werden durch den Faktor "deformiert", und würde nie dort so gemessen werden. Dieses Modell 4.-Wurzel-Modell dient nur dazu, eine grobe Vorstellung von der groben Höhenabhängigkeit zu liefern, im Einzelfall kann das ganz anders sein.

Man kann das mit Wetter-Software durchgeführte "postprocessing" von rohen Messdaten vielleicht in 4 Kategorien einteilen:

a) Kalibrierung
b) Einheitenumrechnung
c) Modellierung
d) Berechnung abgeleiteter physikalischer Größen

Der Fall b) ist trivial und exakt durchführbar. Bei der Kalibrierung a) muß man sich schon anstrengen, wenn nur "Streckung" (Multiplikation mit einem Faktor) oder Verschiebung (Addition eines offsets) angeboten werden. U.a. wären auch kompliziertere Kalibrierfuktionen nötig.

a) und b) erhöhen (wenn man's richtig macht) die Qualität der Daten im Hinblick auf die Wirklichkeit.

Wichtig ist, daß man a) & b) von c) unterscheidet:
Bei c) versucht man mit Hilfe der Messdaten etwas zu messen oder vorherzusagen, was nicht direkt gemessen wird oder auch nicht gemessen werden kann.
Dazu gehört bspw. die Berechnung der Evapotranspiration. Die VP2 setzt dafür das Penman-Modell an, wobei viel in die Berechnung der Strahlungs-Verdunstungskorrelation gesteckt wird und auf kalifornische Untersuchungen verwiesen wird. Das mag ja alles ganz schön und genau sein, aber das Modell nach Penman ist nunmal ein Modell und hat Grenzen, so daß der numerische Aufwand im VP2 postprocessing noch so groß sein kann aber dennoch unrealistische Verdunstungsraten liefert, nämlich dann, wenn der Boden dummerweise staubtrocken ist, denn das überhaupt zur Verdunstung verfügbare Wasser mißt die VP2 ja nicht und interessiert beim Penman-Modell auch nicht.

Genauso ist es bei der Berechnung der Sonnenscheindauer aus der Globalstrahlung, der Umrechung der Windgeschwindigkeit von einer Höhe in eine andere, oder der Windchill-Temperatur; für letzteres gibt es auch unzählige Modelle.

Die Berechnung der Sonnenscheindauer aus der Globalstrahlung benutzt auch ein Modell. Hier nimmt man bewußt in Kauf, daß man mit einer Sonnenstandskorrektur = Umrechnung der horizontal empfangenen (schräg einfallenden) Sonnenstrahlung auf einen senkrecht zur Sonnenstrahlung stehenden Querschnitt (= *1/sin Sonnenwinkel)
einen Fehler macht. Nämlich auch den diffusen Strahlungsanteil mit "korrigiert", für den dies aber überhaupt nicht sinnvoll ist. Da der diffuse Anteil nur ca. 10% der Globalstrahliung bei Wolkenlosigkeit ausmacht, nimmt man diesen 10%-Fehler in Kauf. Allerdings erhöht sich der Anteil bei Bewölkung auf 20-30%.

Auch die Reduzierung des Luftdrucks auf Meereshöhe ist KEINE Kalibrierung sondern eine MODELL!
Denn wo kein Meer ist, kann man auch keinen Lufdruck auf Meereshöhe messen. Die Reduktion wird ja nur zur Vergleichbarkeit der Luftdrücke an verschiedenen Orten durchgeführt und um die Hochs und Tiefs zu identifizieren. Sonst hat das keinen Grund. Im Gegenteil: Mit der stupiden Reduzierung bügelt man synoptisch die Ursachen für kleinräumige lokale Windströmungen weg. Ab Stationshöhen von 600m empfielt der DWD keine Reduktion auf Meereshöhe durchzuführen, sondern auf Druckflächen (925 hPa, 850hPa, 700hPa,...). Der reduzierte Luftdruckwert der Zugspitze würde im Isobarenbild schließlich nur als Ausreißer erscheinen und wäre unbrauchbar, denn eine 3000m Dicke nicht-existierende Luftsäule fügt sich nicht brav in ein Isobarenbild ein. Die Alpen wirken sich eh in der Luftdruckverteilung aus und zudem repräsentiert die Stationstemperatur auch nicht die des obenen Endes der virtuellen Luftsäule.
Um so schräger kommen mir daher die Bemühungen einiger amerikanischen Kollegen vor, ernsthaft Luftdrücke auf Meereshöhe aus 7000ft Höhe zu errechnen und aufgrund des Misserfolgs deshalb ihr Barometer kalibrieren zu wollen. Hier wird offenbar a) mit c) verwechselt...

Wenn man dagegen Modell blindlings verwendet, läuft man dagegen in Gefahr, ursprünglich korrekte Rohdaten künstlich zu verfälschen und Fehler zu erzeugen, die man ungerechtfertigter Weise dem Sensor zuschreibt.

Der Fall d) liegt zwischen b) und c). Die Taupunkttemperatur wird z.B. bei den elektronischen Wetterstationen nicht gemessen, sondern aus relativer Luftfeuchtigkeit und Temperatur berechnet. Und auch dafür schwirren eine Unzahl von mehr oder weniger gescheiten Formeln herum. Die Unzahl der Formeln wird durch die simple Physik dahinter jedoch kaum gerechtfertigt ;-)